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  • AutorenbildKremena Doynov

Stressfragen und -situationen im Vorstellungsgespräch




Die Einladung zum Vorstellungsgespräch ist im Postfach, man freut sich. Schliesslich ist die Stelle genau das, was man will. Vorbereitet und motiviert erscheint man zum Interview, fest entschlossen von sich und seiner Eignung für die Position zu überzeugen. Und dann läuft alles schief. Mehrere Momente und Situationen im Gespräch scheinen „aus dem Ruder zu laufen“ und man ist mehr damit beschäftigt sich zu fragen „was soll das?“, als sich so zu präsentieren, wie man es geplant hat.



Willkommen in der „Stressinterview“-Phase

Stressfragen und -situationen gehören allgemein zu den Interviewtechniken, aber insbesondere für Jobs mit bestimmten hohen Erwartungen sind sie nicht auszuschliessen. Man kann sagen, je verantwortungsvoller eine Position ist, je häufiger im Alltag damit zu rechnen ist mit unerwarteten, komplexen Situationen konfrontiert zu werden, je kreativer und konstruktiver man in seinem Verhalten sein muss, desto sicherer ist es, dass man durch so eine Interviewphase muss. Die „Stressphase“ ist nicht umsonst. Sie gibt dem Gegenüber die Möglichkeit das „wahre Ich“ zu beobachten, indem es eine Reaktion auslöst, die genau das verrät, woran man interessiert ist und was – möglicherweise – der/die KandidatIn zu verstecken versucht.


Diese Phase hat nichts mit dem allgegenwärtigen Druck zu tun, den ein langersehntes Interview beim Kandidaten so oder so hervorrufen kann. Diese Phase wird „künstlich“ erzeugt und kann einem buchstäblich an seine Grenzen treiben.


Es gibt einen Unterschied zwischen „Stressfrage/n“ und „-situation/en“. Beim ersteren wird man plötzlich mit einer oder mehreren aufeinander folgenden Fragen und/oder Aussagen konfrontiert, die als Ziel haben jemanden aus der Reserve zu locken, indem man „provoziert“ wird. Eine Situation wiederum ist eine plötzliche, unübliche Aktion, die – auf den ersten Blick – unprofessionell und „daneben“ erscheint, jedoch auch das Ziel verfolgt die Reaktion bzw. die entstehende Atmosphäre darauf zu beobachten.



Beispiele

Sowohl bei den Fragen wie auch bei den Situationen sollte der Schwere- und Intensitätsgrad der Position entsprechen. Oder anders ausgedrückt ein Pilot zum Beispiel muss eindeutig stressresistenter sein als ein Programmierer, wenn auch beide Positionen mit Stresssituationen zu tun haben. Ein Key-Accountmanager wie auch eine Management-Assistentin müssen in der Lage sein auf ungünstige Entwicklungen bedacht zu reagieren, dennoch ist der Schweregrad einer unüberlegten Reaktion bei beiden Positionen mit einer unterschiedlichen Reichweite, was auch in einer Stresstaktik zu berücksichtigen wäre. Darauf kann (und soll) man sich jedoch nicht ganz verlassen, denn schliesslich hängt auch sehr viel von der Professionalität und Erfahrung des Interviewers ab.


Generell kann man sagen, dass Stressfragen (oder Aussagen) sich meistens konkret und direkt auf den Kandidaten beziehen. Das heisst etwas wird „heftiger“ kritisiert, misstraut, nachgehackt. Wichtig hierzu zu sagen ist, dass sich eine solche Frage und/oder Aussage nie und niemals um die Person drehen darf, sondern ausschliesslich um den Werdegang bzw. die Berufserfahrung. Auch darf man nicht beleidigend werden, wobei hier das eigene Empfinden natürlich auch eine grosse Rolle spielt. Damit möchte ich sagen, dass es Menschen gibt, die auf etwas heftiger reagieren würden (und es fast als eine Beleidigung empfinden werden) als andere. Zum Bsp., wenn man einer bestimmten Angabe in ihrem Lebenslauf misstraut, fühlen sich die einen „entwürdigt“, andere wiederum werden versuchen die – angeblichen – Missverständnisse zu erklären, und das ohne sich dabei „persönlich“ angegriffen zu fühlen.


Solche Fragen oder Aussagen sind zum Beispiel „Wie würden Sie ihre letzte Kündigung erklären, ohne dabei die Begründung des Arbeitgebers zu wiederholen?“, „Aus welchem Grund haben Sie so viele Arbeitgeber gewechselt?“, „Warum sind Sie schon so lange / immer wieder auf Stellensuche?“, „Erzählen Sie uns etwas über sich, das nicht aus Ihren Unterlagen zu erkennen ist.“, „Wie glauben Sie läuft das Gespräch für Sie?“, „Warum haben Sie die Ausbildung XXX abgebrochen bzw. nicht nochmals versucht das Diplom zu erlangen?“, „Das habe ich nicht verstanden, versuchen Sie es nochmals.“ usw.

Und dann – natürlich – die „komischen“ Fragen, wie „Wie würden Sie jemandem diesen Stift verkaufen?“, „Wie sagen Sie einem Mitarbeiter, dass er stinkt?“ (ja, genau so, denn schon die Formulierung stellt eine Herausforderung dar – die Umformulierung in der Antwort) usw., bis hin zu scheinbar völlig „unsinnigen“ Fragen wie „Was würden Sie mit einer Million Euro anstellen?“, „Bei einem Dschungelrennen, wer kommt schneller ans Ziel – ein Elefant oder ein Nilpferd?“. Bei den letzten zwei Beispielen, die eher seltener vorkommen, ist es wichtig, nicht die Augen zu verdrehen, was einem relativ rasch als Reaktion entgleisen kann. Bei solchen Fragen gibt es keine „richtige oder falsche“ Antwort, es geht wirklich nur darum die Reaktion darauf zu beobachten.


Wiederum muss eine Stresssituation nichts mit dem Kandidaten direkt zu tun haben. Das ist eher eine Handlung, die einzuschüchtern oder zu verunsichern versucht. Plötzlich läuft eine Person rein oder raus aus dem Raum, man schaut desinterssiert durch das Fenster oder auf seinem Handy, während der Kandidat spricht, man schweigt länger oder „bohrt ungläubig“ mit dem Blick entweder in den Unterlagen vor sich oder im Bewerber...



Gibt es No-Gos?

Ja, natürlich! Wie schon oben erwähnt, weder Fragen noch Aussagen dürfen die Persönlichkeit des Kandidaten angreifen. „Sie sehen auf dem Foto besser aus als in Natura“ (true story einer Kundin von mir), ist definitiv so eine Aussage, auch wenn der Interviewer weiss Gott was damit bewirken wollte. Unerlaubte Fragen, wie solche nach der Religion, Sexualität oder Schwangerschaft sind auch in einer Stressphase tabu. Es ist auch ein No-Go den Kandidaten – angeblich – mit einem anderen Kandidaten zu verwechseln, denn das zeugt nur von Unprofessionalität und schlechter Vorbereitung. Auch darf eine solche Stressphase nicht überlang sein, quasi die Hälfte der Zeit das Adrenalin auf Hochtouren halten. Und last but not least – Beleidigungen aller Art, wobei hier wirklich die Gefahr besteht etwas als „Beleidigung“ zu empfinden, was keine solche ist, nur weil der/die KandidatIn selbst mit einem Thema stark hadert und sehr empfindlich darauf reagiert. Womit wir zur



Reaktion/Verhalten in Interview-Stressphasen

kommen. Grundsätzlich gilt – niemals, wirklich niemals wie „aus der Kanone geschossen“ zu antworten und/oder reagieren. Atme durch! Sammle kurz Deine Gedanken! Oft ist sogar allein das eine sehr gute „Antwort“ auf die Aussage, die Frage oder die Situation, denn man merkt – Du nimmst Dir Zeit und überlegst, was gewiss etwas Wichtiges in kritischen Situationen ist.


Hast Du die Vermutung, Du durchläufst gerade eine solche Stressphase, dann versuche darauf nicht genervt, besserwisserisch, rechthaberisch, verteidigend oder zurechtweisend zu reagieren. Richte Dich im Stuhl auf und bleibe ruhig und professionell. Sei Dir bewusst, dass neben Deiner Aussage auch Deine Gesamtwirkung – also Mimik und Gestik – dabei beobachtet werden. Frage auch ruhig zurück, wenn für Dich die Aussage oder Frage wirklich unklar ist. Eine gute Taktik für Deine Antwort ist „Gute Frage / kurze Überlegungsphase / Antwort“, jedoch übertreibe es damit nicht. Abgesehen davon, dass es nicht immer passt, kann es mit der Zeit auch „einschleimend“ wirken.


Ist es eine Situation (s. oben), die Dich „verwirrt“, mache eine kurze Pause, ohne dabei die Situation anzusprechen und/oder zu klären und kehre dann zum Thema zurück.


Je besser und umfangreicher man auf das Interview vorbereitet ist, sich über die Firma informiert hat, sich mit der Position tiefgründig auseinandergesetzt hat und sich nicht nur über die fachlichen, sondern auch Persönlichkeitsmerkmale, die dafür notwendig sind Gedanken gemacht hat, desto gelassener kann man – so oder so – im Interview auftreten. Eine kritische und objektive Auseinandersetzung mit den eigenen Unterlagen (Lebenslauf, Zeugnisse und Diplome) und die Gegenüberstellung mit den Stellenanforderungen hilft Faktoren zu erkennen, die in eine solche Phase aufgenommen werden können.


Auch wenn es gewiss nicht immer einfach ist, versuche so eine Phase als eine Chance zu sehen, von Dir und Deinen Kompetenzen zu überzeugen. Und nochmals – bleibe einfach RUHIG! Ausser natürlich es ist ein klares No-Go – dann kannst Du durchaus darauf hinweisen oder gar das Interview abbrechen, mache es trotzdem professionell.


Generell sollte nach einem Gespräch überlegt werden: war einiges schon hier „eindeutig zu viel", hat man sich über eine längere Zeit im Gespräch hauptsächlich „unwohl“ gefühlt, ist das – möglicherweise – ein gutes Zeichen, dass das weder „die Stelle“, noch „der Arbeitgeber“ für einem ist.



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