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  • AutorenbildKremena Doynov

Vorhang auf! (2)


Sie dürfen sich auf die Schultern klopfen! Zu einem ersten Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden ist ein Erfolg! Ein grosser Erfolg! Was immer Sie dafür gemacht haben, Sie haben es richtig gemacht. Gratulation!

Nach einem «Freudentänzchen» sollten Sie an die Vorbereitung denken. Diesen Vorteil - von mehreren Mitbewerbern ausgewählt zu sein - leichtsinnig zu ruinieren wäre schade.

Nervosität begleitet viele Menschen, wenn sie sich vor anderen präsentieren müssen. Bei einem Vorstellungsgespräch steigt der Pegel des «Lampenfiebers» oft noch stärker. Das ist normal. «Lampenfieber» ist wichtig, das bestätigen sogar Menschen, die sich Auftritte gewöhnt sind. Eine gesunde Spannung weckt auf, treibt zu Hochleistung an und hilft in adäquatem Ausmass präsent zu wirken.

Eine anhaltende, übermässig starke Nervosität wiederum hemmt stark. In «Schweiss zu baden», Herzrasen und Blackouts zu haben, zitternde Stimme oder Hände, unkontrolliertes Labbern, unüberlegte Antworten oder seltsames Verhalten... sind Zeichen des (ungesunden) Stresses. Eine gute Vorbereitung und Übung helfen an Selbstsicherheit zu gewinnen. Zweifelsohne, auch wenn eine Person für die Stelle geeignet wäre, wenn sie nicht in der Lage ist das «in dieser einen Stunde» zu zeigen, ist es vorbei.

Worauf Sie sich einstellen sollten ist die Dauer des Erstgespräches.

Im Normalfall erstreckt sich diese zwischen 45 Minuten bis zu einer Stunde.

Dauert das Gespräch weniger als 3/4 Stunden ist das nicht unbedingt ein gutes Zeichen.

Geht es wiederum deutlich länger (90 Minuten plus) kommt es stark darauf an, was dazu geführt hat. Haben Sie das Tempo «gedrosselt» indem Sie Ihre Antworten zu lange überlegt haben, mussten Sie sich zu diversen Themen rechtfertigen oder waren Ihre Antworten unnötig ausführlich? Tja, schade, sowas hätte vermieden werden können.

Wenn sich jedoch am Ende alle überrascht darüber zeigen, «wie schnell die Zeit verflogen ist», wenn während des Gesprächs eine angenehme Atmosphäre geherrscht hat, kann das durchaus bedeuten, dass alle Gesprächspartner stark aneinander interessiert sind.

Es ist nicht üblich, dass man sich in dieser ersten Stunde schon über die Sozialleistungen, Firmen-Ferienregelung, das mögliche Eintrittsdatum oder die eigene Ferienplanung unterhält. Falls doch das mögliche Eintrittsdatum bzw. die geplanten Ferien thematisiert werden, kann das als ein «gutes Zeichen» interpretiert werden. Sicher ist das jedoch nicht. Was auch nicht üblich ist, ist schon beim ersten Interview in eine Lohnverhandlung zu gehen. Wohl werden Sie nach Ihrer Lohnvorstellung gefragt - also bereiten Sie Ihre Antwort gut vor. Normalerweise nimmt man zu diesem Zeitpunkt jedoch Ihre Antwort dazu «nur» zur Kenntnis. Wenn Sie nicht völlig jenseits von Gut und Böse liegen und für die Firma weiterhin einen interessanten Kandidat verkörpern, kommt das Thema «Lohn» später wieder auf den Tisch (und es wird darüber allenfalls verhandelt). Sollte es trotzdem jetzt schon zu deutlichen Verhandlungen kommen, dann kann das praktisch nur eins bedeuten: die Firma steht unter Druck schnell eine Lösung zu finden und Sie scheinen dieser Lösung sehr nahe zu kommen. Nutzen Sie diese Chance geschickt aus!

Bei Interview-Trainings werde ich oft gefragt ob man bei dieser ersten Begegnung auch schon Fachfragen beantworten muss. Nun, das ist eine schwer vorauszusehende Sache. Eigentlich sollten tiefer gehende, konkrete Fragen zu Ihren Fachkenntnissen «erst später» (zweiter und eventuell fortfolgende Termine) kommen. Der Grund dafür liegt nicht zuletz auch darin, dass ein erstes Gespräch nicht selten nur mit Personen aus dem HR geführt wird. Diese sind meistens nicht in der Lage mit komplexen Fachfragen herauszufinden, ob Sie die effektiv fachlichen Voraussetzungen mitbringen, die unbedingt notwendig sind, um dem Job gewachsen zu sein. Deshalb wird der Bewerber in der ersten Stunde eher «im Allgemeinen» als geeigneter (oder eben nicht geeigneter) Kandidat beurteilt. Wenn der Eindruck stimmt (auch bei Ihnen!), trifft man in der zweiten Runde auf den Linienvorgesetzten. Und dieser stellt dann ganz bestimmt auch Fragen zu konkreten Fachthemen (im Sinne von «Wie verhalten Sie sich in Situation XY?», «Wie lösen Sie das Problem AB?» etc.).

Doch aus Termingründen werden je länger, je öfter schon die ersten Gespräche in Anwesenheit des möglichen zukünftigen Chefs geführt. Das erfahren Sie aus der Einladung - ob schriftlich oder (nur) mündlich, eine professionelle Einladung sollte auch Aufschluss darüber geben, wer (Name und Funktion) beim Gespräch anwesend sein wird.

So oder so, es ist nicht verboten, dass man Sie fachlich schon beim ersten Gespräch «durchleuchtet». Auch das kann als «Zeichen» gedeutet werden, allerdings mit unterschiedlichen Hintergründen. Entweder zeigt auch das einen gewissen «Druck» schneller zu einer Entscheidung zu kommen (positiv), oder aber Sie überzeugen nicht wirklich als Person, so möchte man Sie «wenigstens» als Fachkraft beurteilen (eher negativ). Ob und inwiefern das eine oder das andere zutrifft, spüren Sie allenfalls auf Grund des Gesamtablaufs des Gesprächs.

Was ich jedoch zum Thema «Fachfragen im Erstgespräch» im allgemeinen denke ist, Sie sollten in der Lage sein, auf fachliche Themen einzugehen und diese souverän zu behandeln. Ist das nicht der Fall, ist es völlig «in Ordnung schon beim Start zu scheitern», auch wenn Sie sich bestimmt etwas anderes wünschten.

Dazu möchte ich kurz eine persönliche Erfahrung erzählen.

Als ich einmal an einem (zwar zweiten) Gespräch eingeladen war, stellte mir die anwesende Person, eine Stufe höher gestellt als mein voraussichtlicher direkter Vorgesetzte, eine konkrete Fachfrage. Diese war eindeutig von der Sorte «man kann je nach Situation völlig unterschiedlich vorgehen». Egal, ich versuchte diese nach bestem Wissen und Gewissen zu beantworten. Ich wies deutlich daraufhin, dass die Lösung von mehreren, in dieser Situation nicht abschliessend abzuschätzenden Faktoren abhängig sei und meine Antwort sei «eine mögliche Variante». Das gefiel meinem Gegenüber überhaupt nicht und er «pochte» auf «seine» Antwort indem er bohrte und bohrte... solange, bis es nicht nur mir, sondern auch seinem Unterstellten (also mein voraussichtlicher direkter Vorgesetzter) sichtlich unwohl wurde. Es entstand eine sehr unangenehme Situation. Im Nachhinein, als ich das Gespräch reflektierte, sagte ich mir beruhigt, dass ich eigentlich froh sein sollte, dass es nicht geklappt hat. Stellen Sie sich mal vor, jemandem unterstellt zu sein, der Sie gerne mit dem Rücken an der Wand sieht und «nur seine Antwort als korrekt» akzeptiert!?...

Nein, danke!

Viel eher zu erwarten ist, dass Ihre Mehrsprachigkeit spätestens beim ersten Vorstellungsgespräch geprüft wird, wenn das nicht schon bei einem vorhergehenden Telefonkontakt gemacht worden ist. Wurde für die Stelle ausdrücklich verlangt, dass Sie weitere Sprachen beherrschen, stellen Sie sich besser darauf ein, dass in einem «unerwarteten» Moment plötzlich die Sprache gewechselt wird. Sollte das ganze Interview in einer anderen Sprache geführt werden, dann sollten Sie das auch aus der Einladung erfahren.

Ein weiterer, sehr wichtiger Teil beim ersten Interview sind Ihre Fragen. Oft werde ich gefragt «Muss ich solche haben?» Ja! Doch! Unbedingt! «Aber was für Fragen?» Sinnvolle, kann ich mit einem Wort antworten. Sinnvoll in erster Linie im Hinblick darauf, dass Sie dieses Gespräch auch mit einem dienlichen Eindruck verlassen müssen. Denken Sie scharf nach Punkten, die Sie unterstützen sollten und in diesem Stadium für Ihrer Entscheidung von Bedeutung sind. Nein, der Lohn, wie viel Ferien, Homeoffice - ja und wie oft, eigener Parkplatz, Beteiligung an Reisekosten etc. sind für die erste Runde nicht geeignete Fragen, auch wenn Sie sowas möglicherweise stark interessiert. Später und passend formuliert dann schon, keine Bange!

Das erste Vorstellungsgespräch (wie auch mögliche folgende) ist für beide Seiten die Gelegenheit, sich von einander ein Bild zu machen. Ihr möglicher zukünftiger Arbeitgeber «spürt» Sie auf, also machen Sie das auch! Es ist oft schwer nachzuvollziehen, aber egal wie mühevoll sich Ihre Stellensuche auch gestalten mag, Sie sind kein «(Stellen) Bettler»! Allerdings und in den meisten Fällen sind Sie leider auch nicht «am längeren Hebel», denn das Angebot an Arbeitskräften (Bewerber) ist einiges höher als die Nachfrage danach (offene Stellen). Souverän aufzutreten und sich gleichzeig bis zu einem gewissen Punkt auch kompromissbereit zu zeigen ist nicht einfach und gelingt den wenigsten Menschen «einfach so». Wie Sie auftreten hängt von sehr vielen Faktoren ab - Ihre bisher gemachten Erfahrungen bei der Stellensuche, Dauer Ihre Stellenlosigkeit, Ihr Charakter etc. Deshalb ist es so wichtig, dass Sie gut auf Ihr Interview vorbereitet sind, insbesondere zu Themen und Gesprächsphasen, die Sie als mühsam empfinden.

Also zeigen Sie was Sie können, was Sie wissen und was Sie wollen! Es könnte der Anfang einer spannenden, beruflichen Reise sein, wer weiss...

Ach ja, noch was! Der sagenumwobene erste Eindruck ist wichtig, keine Frage! Ich bin jedoch ein wenig «im Clinch» mit diesen «30 Sekunden, die alles entscheiden sollen und nie täuschen». Das mag sein, doch dafür muss man sehr, wirklich ausgesprochen gute Menschenkenntnis haben. Viele Menschen beanspruchen gerne diese Gabe für sich, die meisten davon sind jedoch eher in der Lage schnell ein VORurteil zu bilden, als tatsächlich jemanden korrekt einzuschätzen. Diesbezüglich, überhaupt Eindrücke, empfinde ich die Situation «Vorstellungsgespräch» sogar als noch komplizierter. Sie folgen nicht nur dicht aufeinander, sondern stehen in komplexer Beziehung zu vielen, teils - für die jeweilige Seite - unbekannten Entscheidungs-faktoren. Als wäre das nicht schon genug kommt noch dazu, dass die Eindrücke aus einem Verhalten entstehen, das sagen wir mal «gestellt» ist. Und zwar nicht nur bei Ihnen, als Bewerber.

Das will heissen - wenn Sie sich zu Beginn des Gesprächs nicht völlig daneben zeigen und verhalten, haben Sie 45 bis 60 Minuten Zeit von sich zu überzeugen. Sollte es passieren, dass Sie die ersten Minuten «dank» Ihrer Nervosität versäumen, ist es durchaus möglich, je sicherer Sie sich fühlen, desto überzeugender zu werden. Also - ja, wach, authentisch, freundlich starten... aber falls Ihnen etwas schon zum Anfang misslingt, denken und handeln Sie vor allem nicht danach als wäre «alles schon vorbei».

Nicht so der letzte Eindruck. Der BLEIBT!

Bon voyage!


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