Neulich sass er vor mir, ein sympathischer, qualifizierter Mann im besten Alter. Gerade haben wir das Thema "Lebenslauf" und insbesondere die Entstehung seines jeweils zur angestrebten Position passenden Kompetenzprofils abgeschlossen.
Die Formulierung eines treffsicheren Kompetenzprofils ist für den Bewerbungserfolg essenziell. Sofern jemand klar verstanden hat, worauf es exakt ankommt, fällt es meistens einfacher ein solches zu erstellen. Dafür muss man die Unterschiede der jeweiligen Kompetenzen kennen, verstanden und verinnerlicht haben und wissen "wie man ein Inserat liest". Kann man das, erkennt die Person auch genau, womit man am Anfang punktet, und was man eher lassen sollte.
Ja, am Anfang bringen auch Dir Floskeln wie „belastbar, teamorientiert, dynamisch, innovativ…“ und wie sie alle heissen herzlich wenig. Während des gesamten Auswahlprozesses stehst Du in der Konkurrenz, oder nennen wir es netter – im Vergleich mit anderen, aber ganz am Anfang ein Ticken mehr. Ein bedeutender Ticken mehr! Warum? Am Anfang geht es um Zeit und Klarheit. Unter mehreren dutzenden Mitbewerbern, alle garantiert auch „belastbare, teamorientierte, dynamische, innovative“ KandidatInnen, will man sich rasch orientieren können und sucht vorerst nach Personen, die den Job machen können, fachlich. Deshalb ist es so unheimlich wichtig, das Insert zu verstehen, und - darauf basierend - sich als DIE Person, die den Job ausführen kann, richtig zu positionieren. Später, im persönlichen Kontakt, wenn man die Gelegenheit bekommt und auch nutzt als Mensch und Mitarbeiter zu überzeugen, ja dann – Spiel, Satz, Vertrag!
Aber zurück zu meinem Kunden. Das Thema „Kompetenzen“ und „Kompetenzprofil“ war für ihn klar, und so wendeten wir uns den nächsten Schritten zu – die Inseratanalyse und die Fertigstellung einer darauf gestützten, treffsicheren Bewerbung, inkl. Motivationsschreiben.
Im Gegensatz zum eher „faktischen“ Lebenslauf, ist und bleibt das Motivationsschreiben das Medium, wo man weitere Pluspunkte für sich sichern kann, sich – so zu sagen – „austoben“ kann, seiner Motivation Ausdruck geben soll, und ja, ein Stück weit sich „als die richtige Person für die Firma und die Position“ auch „verkauft“. Und hier sagte er ihn, den Satz, den ich so oft höre:
Ich kann mich nicht (gut) verkaufen!
In solchen Momenten lehne ich mich immer zurück und frage mich ernsthaft, warum meint der Mensch im Bewerbungsprozess ist es wie beim Jahrmarkt, und man muss sich, wie eine Gemüseraffel „verkaufen“. Denn „ich kann mich nicht verkaufen“ trägt für mich diese Aussage: ich kann nicht dastehen und schreien „ich wäre der/die Beste“. Warum meint man, dass je lauter und Sprüche klopfender, desto besser?
„Sich nicht verkaufen zu können“ heisst im Bewerbungsprozess nicht verstanden zu haben, worum es geht und worauf es ankommt. Denn am aller wenigsten geht es darum „etwas zu verkaufen, was nichts wert ist“.
Was heisst es eigentlich sich im Bewerbungsprozess zu „verkaufen“?
In erster Linie heisst das: zu wissen, was man sagen will! Du denkst vielleicht gerade „ach ja, wie einfach dargestellt. Das weiss ich schon, doch eben genau das kann ich nicht!“.
Das mag auch sein, dass Du vom Gefühl verfolgt wirst, dich – eben – nicht gut und gewinnend genug ausdrücken zu können. Aber glaube mir, das hängt in den meisten Fällen nicht damit zusammen, dass Du es nicht kannst, sondern damit, dass Du Dir nicht im Klaren bist, was Du genau sagen willst. Und so passiert es rasch, dass Du nach abgelutschten Floskeln greifst, in Google nach Beispielen und Vorlagen suchst, die Du übernimmst, auch wenn sie nicht wirklich Dir entsprechen, einfach „etwas schreibst“, zum x-ten Mal, und in vollem Bewusstsein, dass das nicht wirklich gut ist.
Erkennst Du Dich? Falls ja – ich verstehe nun Dein Gefühl „ich kann mich nicht verkaufen“, denn dieses Vorgehen hat schon bestimmt zu mehreren Absagen geführt, was wiederum bei Dir dieses Gefühl gefestigt hat, nicht wahr? Also „zurück zum Anfang“.
Was willst Du genau sagen?
Um es einfacher zu erklären, nehmen wir doch gleich ein beliebiges Beispiel.
Im Stelleninserat steht „Sie sind belastbar…„ und Du denkst sofort „ja wohl, das bin ich!“… und schreibst es auch so in Deinem Motivationsschreiben: „Ich bin belastbar….“. Autsch! Wie langweilig, und inhaltslos. Wetten, das Gleiche wird in den meisten anderen Briefen auch behauptet. Ob Du es glaubst oder nicht, an dieser Stelle, ganz am Anfang, nimmt keiner diese „Ich-Behauptung“ einfach so als „wahre Münze“. Nicht bei Dir, auch nicht bei den anderen.
Nun versuchen wir Deine Belastbarkeit zu „verkaufen“
Was heisst es genau für Dich "belastbar zu sein"? Wie belastbar bist Du wirklich? Wie zeigt sich Deine Belastbarkeit konkret? Wie und – vor allem – wer hat Dir schon bestätigt, dass Du es bist? Kannst Du spezifisch eine (oder mehrere) Situation/en beschreiben, die Deine Belastbarkeit „bestätigt“? usw. Fragen, die Du Dir vorerst stellen solltest, unabhängig davon „welche Behauptung“ Du „verkaufen“ willst.
Siehst Du… sobald Du Dir überlegen solltest „was genau will ich damit sagen?“, wird es schon komplexer. Schwieriger. Es kann sogar so weit kommen, dass Du (für Dich) merkst – oh, ich bin gar nicht so belastbar, wie ich denke, denn nichts kommt mir in den Sinn, was diese Behauptung beweist und ich sie damit „verkaufen“ kann. Ja, „etwas“ zu verkaufen, was nicht das ist, was es behauptet zu ist, ist gewiss nicht einfach.
Wir gehen aber davon aus, dass Du gute Antworten auf Deine Fragen hast. Schreibe sie Dir auf. Auf ein Blatt Papier, stichwortartig oder ausgedehnt, wie es für Dich passt. Erst wenn Du die Behauptung „belastbar“ (oder was auch immer) mit Deinem persönlichen Inhalt gefüllt hast, für Dich erklärt und „bewiesen“ hast, geht es ans „Verkaufen“. Und zwar
Begründet. Authentisch. Verständlich
und spanend! Denn ich verspreche Dir, dass es ab hier einfacher wird. Ab hier geht es einzig darum, Deine „Beweise“ (aka Gedanken) kurz und klar zu bündeln und zu formulieren. Zum Beispiel als Du schreibst: „Meine Lebens- und Berufsreise bestätigt in mehreren Phasen meine ausgesprochene Belastbarkeit. Mein Studium habe ich dank mehreren Nebenjobs selbstfinanziert und ohne Unterbrüche erfolgreich absolviert.“ (Bingo!)
Oder Du zitierst eine fremde Aussage über Dich in diesem Kontext, Du nimmst quasi den „Fremdblick“ an und beschreibst, was bei Dir gelobt und/oder geschätzt wurde. Oder Du stellst kurz und konkret eine Situation dar. Oder bedienst Dich von einem konkreten Zitat - meistens aus einem Arbeitszeugnis oder Bericht über Dich - der zu Gunsten Deiner "Ich-Behauptung" ist.
Ab dem Moment, ab dem Du die Behauptung „ich bin XXXX“ mit konkretem, persönlichem, ehrlichem Inhalt gefüllt hast, wird es bedeutend einfacher es „anders“ rüberzubringen, folglich es gut „zu verkaufen“. Denn Du weisst genau was Du damit meinst!
Mache Dir bloss darüber keine Sorgen, dass Du es nicht wie ein „Bestseller“-Stück schreiben kannst. Darum geht es auch gar nicht, ausser Du bewirbst Dich wirklich als „SchriftstellerIn“.
Es geht darum, nicht einfach etwas zu behaupten, sondern einen sinnvollen, wirksamen Inhalt zu liefern. Es geht um – nebst Deinem Lebenslauf – weitere, nicht zu unterschätzende Zusatzpluspunkte, mit denen Du Dich glaubhaft, überzeugend und selbstbewusst „verkaufst“.
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