Es ist geschafft: Die Einladung zum Vorstellungsgespräch liegt in der Mailbox, der Termin ist bestätigt – der Traumjob zum Greifen nahe! Jetzt noch das Gespräch vorbereiten und los! Äh, Moment, und was ziehe ich zum Interview an?
Eigentlich eine einfache Frage.
Eigentlich… würden da nicht Geschmäcker, Regeln, Empfehlungen, Prestige, Persönlichkeit, Modeverständnis, Typen, Budget, Branchen, Körpermasse, Alter, Stil, Trends, alte Schule, Hipsters usw. - Meinungen aufeinanderprallen.
Was die ganze Sache mit dem "Outfit zum Vorstellungsgespräch" HEUTE eben nicht mehr so klar und einfach macht!
Die Mode hat sich gewandelt. Rahmen gelockert. Chefs tragen heute nicht ausschliesslich einen Anzug. CEOs führen international Milliarden schwere Unternehmen in… T-Shirt und Jeans. Ich selber dachte lange, dunkel lackierte Fingernägel seien bei einer seriösen Position ein «no go»… bis ich in einem Fernsehinterview Frau Jeannine Pilloud (Chefin SBB-Personenverkehr) mit brand-schwarzem Nagellack «erwischte». Und es sah toll aus! Total stimmig mit ihrem Gesamterscheinungsbild.
Die Frage ist: Heisst das also, heute ist alles erlaubt? Frau könne ihr luftiges Sommerkleid anziehen, das an ihr so gut aussieht? Reicht es, wenn Mann zu seinen geliebten Jeans ein «dem Protokoll entsprechendes» Hemd anzieht?
Huh… Gute Fragen! Vor ab – nein, auch heute ist nicht alles erlaubt! Aber doch einiges mehr als vielleicht noch bis vor ein paar Jahren.
Meinen Sie nicht auch?
Schauen wir uns zuerst einige Grundregeln an, bevor ich mich in ein paar Interpretationen «stürze».
- Was Sie anziehen muss sauber und gebügelt sein - Was Sie anziehen muss zu Ihren Körper passen - Was Sie anziehen muss zu Ihner Persönlichkeit passen - Was Sie anziehen muss zur Position, der Firma und der Branche passen, wofür Sie sich vorstellen
Am einfachsten ist es natürlich, wenn man sich an die altbewährte Kleiderordnung hält: Anzug oder Kostüm, Krawatte für den Mann, gedeckte Farben, geschlossene Schuhe, wenige und unauffällige Accessoires. Damit geht man keine Risiken ein, «unpassend» gekleidet zu sein.
Ist das wirklich immer so?
Was würden Sie über folgendes Bild denken: Der Bewerber erscheint zu seinem Interview in einem Industriebetrieb mit Anzug, Hemd, Krawatte… also ganz nach den Regeln, um auf den Abteilungschef zu treffen, gekleidet in Jeans und einem «08:15»-Hemd?
Oder die frisch promovierte Uniabsolventin, die um ihr erstes (Vorstellungs-)Kostüm und Pumps zu kaufen alles zusammengekratzt hat... trifft in der «alternativen» Kanzlei auf ihre zukünftigen Chefs in Chinohosen und Converse Schuhen?
Auch wenn nicht ganz so «extrem», so ist es mir selber auch schon passiert, «besser» als meine Gegenübers gekleidet zu sein… Autsch! Ich hatte auch schon zwei äusserst moderne Chefinnen, die sich nie und niemals mit einem «langweiligen Kostüm von der Stange» zu einem Interview begeben hätten. Ohne es beweisen zu können, würde ich mal trotzdem vermuten – Kandidaten MIT einem passenden und schicken Outfit haben (wahrscheinlich) auf sie mehr «gewirkt» als «graue Mäuse».
Ich bin bei diesem Thema gespalten! Ich mag Mode. Sehr sogar. Ich kann durchaus «eine Outfit-Regel brechen», ohne mich dabei zu vergessen oder den Anlass zu missachten. Deshalb fällt es mir irgendwie schwer zu sagen «DAS ist das einzig Richtige!».
Irgendwo, irgendwann bin ich auf einen Tipp gestossen – «gehen Sie im Voraus bei der Firma vorbei und schauen Sie sich die Menschen an, wie sie gekleidet sind. Richten Sie sich danach aus.». Super! Aber… nicht immer kann man sich in einer Firma im Voraus einfach so umschauen und auch wenn, ist das noch keine 100% Garantie für ein treffsicheres Outfit.
Wenn es eine Richtlinie gibt, dann diese – je weiter oben die Position, desto weiter oben «zugeknöpft»! Oder anders ausgedrückt – es gilt immer noch «seriöse, repräsentative Positionen verlangen seriöses, repräsentatives Outfit». Zumindest beim Vorstellungsgespräch! Später kann man sich immer noch an den «Modestil des Vorgesetzten» anpassen und sich diverse Fashiontrends erlauben.
Mir scheint aber auch etwas Anderes sehr wichtig.
Was bringt das noch so «zum Gespräch passende» Outfit, wenn dasselbe Outfit total unpassend zum Kandidat/in ist? Damit möchte ich explizit die Körpermasse ansprechen, schliesslich sind nicht alle 90/60/90. Also ob man sich in «gedeckten oder klassischen Farben» anzieht, eine Hose oder einen kniedeckenden Jupe an hat, ob die Bluse uni oder gestreift ist… WURST! Solange man nicht wie eine «gepresste Wurst» darin aussieht. Also ziehen Sie etwas an, was Ihrer Kleidergrösse entspricht und Sie sich darin wohl fühlen. Gehen Sie die Gefahr nicht ein, dass beim Absitzen Knöpfe, Nähte oder Reissverschlüsse platzen.
Weil ich mich nicht mit der allbekannten, «universellen» Kleiderordnung zufriedengeben kann, hier noch meine ganz persönliche Meinung zum Thema «Outfit für das Vorstellungsgespräch»
Jeans?
Der erste Gedanke, der einem in den Sinn kommt ist ablehnend. Nicht ohne Grund, Jeans werden bei vielen = «Freizeit» verstanden. Dennoch, ein gut zusammengestelltes Outfit «mit Jeans» kann heute auch «professionell und gleichzeitig trendy» rüberkommen. Dafür muss man jedoch eine wirklich gut sitzende, dunkelblaue oder schwarze, und qualitativ hochwertige Jeans besitzen. Ansonsten Finger weg! Und wenn überhaupt Jeans, dann den Rest wirklich «reserviert». Unbedingt Blazer dazu! Keine «mit angenähten Applikationen», «ausgewaschene», «zerrissene», «hängende / Boyfriend Schnitt», oder «so tief geschnittene, dass wenn man absitzt…» - Sie wissen schon - Modelle. Jeans gehören bestimmt nicht zu einem Outfit zur Vorstellung für einen Job mit hohem repräsentativen Stellenwert. In einer «kreativen» Branche jedoch durchaus akzeptabel.
Schuhe?
Ich würde nie «sportliche» anziehen, auch dann nicht, wenn ich mich in einem Fitnesscenter bewerben würde. Nicht das ich solche nicht trage, ganz im Gegenteil, ich liebe schöne, modische Sneakers. Aber bei einem Vorstellungsgespräch würde ich darauf verzichten. Finde ich einfach total unpassend und bin schliesslich «nur» 163 cm gross. Wenn wir schon beim Thema Sportschuhe sind – ziehen Sie bitte auch keine Turnschuhe an. Geht gar nicht! Um mich «grösser» zu machen würde ich aber auch keine «12 cm» anziehen. Auch solche habe und trage ich gerne, zu einem Vorstellunggespräch gehören solche jedoch NICHT. Ballerinas? Ich finde, zu einem formellen Anlass sehen Ballerinas nur an Frauen 175 cm+ gut aus. Was ich mir wiederum erlauben würde ist ein zum Restoutfit passender Farbschuh. Und bevor ich mein Lieblingsthema «die Schuhen» (merken Sie es?) abschliesse, noch etwas zu den «offenen Schuhen bei Frauen». Frau liest oft, dass solche an einem Vorstellungsgespräch ein «no go» sind. Habe ich nie wirklich verstanden «warum»? Klar, die Sandaletten Typ «Römer» oder solche mit Riemchen Typ «ein Hauch von Nichts» bleiben zu Hause. Aber warum nicht ein Peeptoe (vorne leicht offen) oder Slingback (vorne zu, hinten offen)? Also ich würde es wagen! Mit gut gepflegten Füssen natürlich. Und wenn es zum Rest passt.
Farben?
Hm… Wahrscheinlich werde ich bei den klassischen bleiben. Davon habe ich halt am meisten. Doch werde ich immer versuchen, eine dunkle Farbe mit einer passenden, hellen aufzufrischen. Schwarz/weiss bietet sich gleich an, ist aber langweilig. Bei den Farben muss man auch immer daran denken, dass sie den persönlichen Teint positiv oder negativ beeinflussen. Ich würde nicht zu Farben greifen, die mich aussehen lassen, als hätte ich eine Woche lang nicht geschlafen. Die Farbe Rot steht mir dafür hervorragend… ist aber so eine Sache mit dieser Farbe. Oft steht sie für Stärke, Autorität, Selbstbewusstsein, gar gewisse Aggression. Deshalb Achtung - nicht jeder zukünftige Chef oder zukünftige Chefin kann mit einer starken und selbstbewussten Persönlichkeit umgehen. Aus diesem Grund würde ich, bei einem ersten Vorstellungsgespräch, quasi bevor ich die Gelegenheit hatte die Gesprächsteilnehmer einzuschätzen, kein Rot anziehen. Schliesslich möchte ich nicht «Angst machen».
Kleid?
Oh ja! Irgendwie gefallen mir Kleider. Ich finde sie so mühelos – nur mit einem Kleidungsstück ist Frau angekleidet. Also ich wäre voll dafür… unter ein paar Bedingungen. Nicht «das kleine Schwarze», auch nicht «das Kleidchen». Auch wenn ich mein «Blumenkleid» noch so gerne habe, wird es für das Vorstellungsgespräch im Schrank bleiben. Wenn Kleid dann werde ich auf den Schnitt, den Stoff und das Muster achten – Qualität muss sein! Und auch bei 30°+ Celsius würde ich keine «nackten Schultern» zeigen.
Krawatte?
Finde ich toll an einem Mann! Wenn es zum Anlass passt und nicht ein "70er Jahre" Modell ist. «Eyecatcher»? Wunderbar! Doch nicht die Sorte... «mit den Kinderfotos» oder «The Simpsons» drauf. Und bitte nicht zu einem kurzärmligen Hemd!
Hemd?
Wenn wir schon beim Hemd sind, wer hat überhaupt «kurzärmlige Hemden» erfunden? Sie sehen an einem erwachsenen Mann so selten gut aus, und wenn das mal der Fall ist, dann meistens zu Bermudas. Ansonsten gibt es nichts merkwürdigeres als einen Mann, der etwas darstellen möchte, angezogen in einem Hemd «ohne Ärmel». Hemden überhaupt – das ist womit die Herren «punkten» können! Viel mehr an Kleidermöglichkeiten haben sie nicht. Also ziehen Sie bitte solche an, die zur heutigen Zeit, zu Ihrem Alter und Körper passen! Danke!
Pullover?
Nein, lieber nicht! Sie werden schwitzen…
T-Shirt für den Mann?
Ich bin unschlüssig… Auf der einen Seite finde ich ein schönes, qualitatives, unifarbenes T-Shirt unter einem Blazer sehr ansprechend. Und wenn der Blazer ein Doppelreiher ist – perfekt! Wiederum die «prall gepumpten Musculi pectorales» mit einem enganliegenden T-Shirt zur Schau zu stellen - grauenhaft! Alles in allem würde ich sagen – «Arnold Schwarzenegger»-Typ lieber nicht, der «Orlando Bloom»-Typ – gerne! Doch vor allem - achten Sie bitte auf die Branche und die Position!
Anzug / Kostüm?
Bewährte Sache. Aber bitte passend! «Von der Stange» ist das nicht immer garantiert, doch ich bin überzeugt, jeder Laden bietet auch «Schneider Anpassungen» an. Deshalb gibt es keine Entschuldigung, wenn Ihr Anzug (Herren) oder Kostüm (Damen) an Ihnen wie «geschenkt» aussieht. Oder «gemietet». Achten Sie nicht nur auf die Hosen-/Jupelänge, sondern auch auf die Länge der Ärmel. Präsentieren Sie sich nicht als würden Sie schon länger «rausgewachsen» oder vor kurzem «geschrumpft» sein.
sonstige Hosen?
Ja, warum nicht? Eine Hose als une piece ist Tipp-Top, wenn sie sitzt, nicht ausgewaschen ist und «nach etwas aussieht», d.h. Form hat. Eine Hose als «Einzelstück» bietet viele sonstige Möglichkeiten Ihr Modeverständnis «auszuleben». Mit dem Rest Ihres Outfits können Sie «Persönlichkeit» in Ihr Outfit einbringen. Vieles könnte passen, vorausgesetzt man versteht «zu kombinieren», macht es stilsicher und vergisst nicht «wohin man geht». Wenn Sie nicht sicher sind, bleiben Sie lieber bei dem Anzug/Kostüm. Apropos bei den Damen gilt das Gleiche auch beim Thema «Jupe als une piece».
Leggings?
Nein, NEIN und nochmals NEIN! Auch mit 90 / 60 / 90 Massen bitte NICHT!
Und noch ein GROSSES NEIN
weisse Socken! Nur für den Fall, dass es immer noch Männer auf dieser Welt gibt, die meinen weisse Socken kann der Mann auch ausserhalb des Tenisscourt tragen.
Das Thema ist kaum «abzuschliessen». Es gibt heute so vieles, was einen gut aussehen lässt! Seriös und doch nicht langweilig. Die immer noch weit verbreitete Meinung «gut = teuer» stimmt auch gar nicht mehr. «Kostspielig oder preiswert» allein, bewahrt gar nicht gegen die vielen, schrecklichen Fashion Fauxpas. Das einzige was wirklich zählt ist, seinen eigenen und gleichzeitig zum Anlass passenden Stil zu finden.
Ist Ihr Outfit so wichtig? Ihr Outfit entscheidet sicher nicht allein, aber er entschiedet mit. Ganz sicher!
Denn das Erste was wirkt, wenn Sie einen Raum betreten und noch kein Wort gesagt haben, ist «Ihre Hülle». Wenn diese völlig daneben ist, erleichtert dies das Absage-Urteil Ihres Gegenübers, keine Frage.
Viel Spass beim Ausprobieren und alles Gute fürs Vorstellungsgespräch!