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  • AutorenbildKremena Doynov

Du siehst was ich nicht sehe



Wie/wer bin ich?

Wie/wer will ich sein?

Wie nehmen mich andere wahr?

– sind die drei zentralen Fragen, wenn es um das «Selbst- und Fremdbild» geht.


Das Leben und unser Weiterkommen im Allgemeinen wäre so «einfach», wenn sich beide Bilder immer 1:1 abdecken würden, doch wir alle wissen - dem ist nicht immer so. Viele Menschen «scheitern» schon bei den ersten zwei Fragen, «wie sie (wirklich) sind» und «wie sie (gerne) sein wollen» driftet nicht selten auseinander. Und dann sind wir auch überrascht – mal positiv, mal negativ – wenn wir die Gelegenheit haben einen echten und unverfälschten Einblick in das Bild zu erhaschen, das andere von uns haben.


«Du musst nicht allen gefallen», «Sei echt und authentisch», «Du kannst alles sein, was Du willst», «Es ist unwichtig, was andere über Dich denken» etc. Sprüche verwirren zusätzlich. Was nun? Darf ich wirklich so sein wie ich bin, auch mit dem Risiko nicht in das Bild anderer zu passen? Was ist, wenn ich vom «Fremdbild» doch noch abhängig bin? Kann ich wirklich in Kauf nehmen «nicht zu gefallen», wenn mir das eindeutig «im Weg steht»?


Ob man ausschliesslich auf sein Eigenbild fixiert und über das Fremdbild völlig desinteressiert lebt, oder sich ausschliesslich zu Gunsten des Eindrucks bei anderen zusehends «von sich» entfernt – beides kann für die betroffene Person «überteuert» zu stehen kommen.



Das Johari-Fenster

Mit der Frage des Eigen- und Fremdbildes und den Umgang damit beschäftigt sich die Psychologie schon seit Jahrzehnten. In den 60er Jahren haben die zwei Sozialpsychologen Joseph Luft und Harry Ingham dafür das «Johari-Fenster» entwickelt.





Was will das Bild aufzeigen?

Am besten erkläre ich es an einem Beispiel wie «Kommunikationsstärke».


Sobald sich das Fremdbild mit der eigenen Meinung (Bild) deckt, und zwar unabhängig davon ob in positiver oder negativer Sinn, ist das «öffentlich» - ergo der Idealfall.


Wenn ein Mensch diese Gabe bei sich noch nicht entdeckt hat und folglich auch die Umwelt nichts davon weiss, dann ist die grossartige Kommunikationsfähigkeit «unentdeckt» (unbekannt). Nicht weiter schlimm, jedoch schade. Besonders schade ist es, wenn es sich um Eigenschaften handelt, die einem im Leben (und/oder im Beruf) weiterbringen könn(t)en.


Schlimm wird es erst in den anderen zwei Feldern.

Wenn die gleiche Person zwar als sehr kommunikativ wahrgenommen wird, jedoch kostet das die gleiche Person immer eine immense Überwindung, Vorbereitung, Auftrittsstress o.ä., so ist das ein «Geheimnis». So zu sein, quasi das Bild bei den anderen aufrecht zu erhalten, ist anstrengend und – auf lange Sicht – auch keinesfalls befriedigend. Je nachdem worum es sich handelt kann eine solche Diskrepanz gar zu schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen führen. Diese Person sollte sein Umfeld offen und ehrlich darüber aufklären. Je nach dem was damit zusammenhängt (der Job zum Bsp.) ist das oft einfacher gesagt als getan. Man sollte auch meinen, dass es in so einer Situation naheliegend ist die Auftrittskompetenz sehr gezielt zu trainieren und zu entwickeln. Doch auch das zeigt sich nicht selten in der Praxis als eher schwierig, insbesondere dann, wenn diese Person «das Fremdbild» stärker gewichtet als sein eigenes Wohlbefinden und «Hilfe holen» als ein undenkbares Outing eingestuft wird.


Und dann «der blinde Fleck». Dieser entsteht im umgekehrten Fall, quasi wenn die Person über sich meint ein Kommunikationsprofi zu sein, jedoch keiner ihr wirklich zuhören kann. Was das für Enttäuschung/en und Verluste an Selbstwert mit sich bringen kann, ist manchmal schwer vorzustellen. Mit diesem «Fenster» konfrontiert, je nach Thema und Wichtigkeit für die betroffene Person, kann ganz schön heftig sein. Besonders dieses «Fenster» erlebe ich oft in meiner Arbeit mit Stellensuchenden. «Was sie über sich meinen» und «wie sie wirklich sind» zeigt sich nicht selten diametral unterschiedlich, insbesondere im Bereich der Methoden- und Sozialkompetenzen. Ihnen das schonend und weiterbringend nahezulegen bringt mich oft an meine Grenzen, ich stelle aber eindeutig fest, dass diejenigen, die bereit sind sich damit kritisch auseinanderzusetzen, auch diejenigen sind, die Erfolge feiern. Und Achtung – mit «kritisch» meine ich nicht «sang- und klanglos» ein «Fremdbild» anzunehmen, sondern die Offenheit zu haben das «Eigenbild» zu hinterfragen.



Eine gute und eine schlechte Nachricht

Zuerst die «Entwarnung». Nichts in diese Feldern ist sakrosankt und für immer und ewig unantastbar. Beide Bilder – Selbst und Fremd – sind wandelbar. Wir lernen, entwickeln uns, unser Idealbild verändert sich mehrmals im Leben. Wir treffen auch auf unterschiedliche Menschen bzw. «Fremdbilder» von uns.

Entscheidend dabei ist zu wissen, dass sowohl das Eigen- wie auch das Fremdbild schliesslich ein Produkt der eigenen Wahrnehmung, Wertvorstellung und Gefühle sind. Die Fähigkeit solche Bilder differenziert zu hinterfragen und die eigene Bereitschaft sie zu revidieren kann zu einer grossen Entspannung in der Art und Weise führen, wie wir uns und andere wahrnehmen und damit umgehen.


Eins ist jedoch sicher: Die Deckungsgleichheit unseres Selbst- und Fremdbild ist nicht «ohne». Daraus resultiert – ob wir es wahr haben wollen oder nicht – ein sehr grosser Einfluss auf unseren Selbstwert. Werden wir in echter Harmonie mit uns selbst von anderen gelobt, fühlt sich unser «Sein» stimmig und mit dem was uns andere spiegeln im Einklang an. Umgekehrt heisst das: werden wir immer wieder und auf eine unachtsame Art und Weise auf unsere «blinden Flecken» hingewiesen oder «bergen wir zu viele Geheimnisse» kratzt das immer und immer wieder an unserem Selbstwert, bis sich die Gesundheit meldet…


Und nun die «Warnung»: so wie es im Leben ist – das Wachstum und die positiven Veränderungen finden hauptsächlich dort statt, wo es «unangenehm» wird. Also dort wo «das Geheimnis» gelüftet, oder «der blinde Fleck» ausgerottet wird. Einfach? Nein!



Und was hat das alles mit «sich bewerben» zu tun?

Wirklich? Fragst Du das? Das hat extrem viel damit zu tun!

Denn wenn wir uns bewerben, wollen wir «gefallen»… Oder? Dieser Wunsch birgt jedoch ein grosse Gefahr uns mehrheitlich davon leiten zu lassen «wer wir sein wollen», als «wer wir wirklich sind».


Wie schön wäre doch die Welt, wenn wir uns einfach so zeigen könn(t)en, wie wir wirklich sind, und nicht wie es für «diese Stelle» erwünscht ist? Ja, ich gebe Dir Recht, das wäre wirklich eine sehr angenehme, perfekte «Bewerbungswelt». Doch die Realität sieht anders aus. Musst Du deswegen «lügen»? Dich verstellen? Nein! Auf keinen Fall! … und doch machen es so viele Menschen… so viele Menschen versuchen einem «Fremdbild» zu entsprechen und ein «Eigenbild» von sich her zu geben, was gar nicht «ihres» ist. Und fragen sich dann – enttäuscht und frustriert - nach x erfolglosen Bewerbungen, warum das? Na ja, ich sage nur «blinder Fleck»….


Du sollst Dich kennen! Denn in Dir schlummert so viel. Das Eigenbild, das Du von Dir abgibst, soll Dir am nächsten sein, und gleichzeitig möglichst am besten zum «Fremdbild» Deines zukünftigen Arbeitgebers passen. Das ist die echte Herausforderung.



Fazit (allgemein)

1. Achte auf die sich selbsterfüllende Prophezeiung.

Denkst Du ununterbrochen «wie Du von anderen wahrgenommen wirst», wirst Du in den meisten Fällen auch so wahrgenommen. Ob positiv, oder negativ.


2. Achte auf die Art der Kritik.

Yep, der Ton macht die Musik. Wer und wie «kritisiert» Dich? Hat die Person die notwendigen Kenntnisse darüber oder «lädt» er/sie einfach nur Negativität ab?


3. Führe eine Feedback-«Buchhaltung».

Gibt es bestimmte Sachen worüber Du sowohl positive wie auch negative «Fremdbilder»-Rückmeldungen erhältst? Was überwiegt? Beachte dabei Punkt 2.


4. Sei kritisch.

Zu Deinem Selbstbild, wie auch zu Deinem Fremdbild. Es ist schliesslich «ein Film», der nicht völlig zu missachten ist, dennoch bleibt es «ein Film». Die Bilder darin beruhen nicht zwingend auf Beweise, sondern sind viel mehr das Ergebnis von persönlichen Eindrücken und Bewertungen. Also hinterfrage – Dich und die anderen.


5. Übe Selbst-Reflektion.

Beschäftige Dich mit Dir, intensiv, ehrlich, möglichst objektiv. Übe dabei weder «Selbst-Beweihräucherung», noch «Selbst-Ablehnung». Akzeptiere, dass es eine schlechte Idee ist sowohl immer zu gefallen, wie auch sich ständig wie «ein Elefant im Porzellanladen» zu verhalten.


6. Suche Dir echte Meinungen.

Es ist sooo schön immer gelobt zu werden. In Zeiten der Social Media-Wahrnehmung ist das auch so schnell und einfach geworden. Ein Herzchen hier, ein Daumenhoch dort… Ich bin ja soooo toll!

Oder aber umgekehrt – in Zeiten der Anonymität fallen manche Anstandsgrenzen weg. Es ist heute auch einfacher geworden aus dem Nichts kritisiert, ausgelacht, gar beleidigt zu werden… Haters gonna hate.


Wem traust Du? Nur Deinen Freunden? Ausschliesslich Deinen Liebsten? Klar, sie kennen Dich am besten und können es nicht «schlecht» mit Dir meinen, denkst Du. Oder eher Deine «Feinde»? Weil sie eh nicht «zu Dir gehören», ergo müssen sie Dir nichts vormachen?


Falsch. Beide Lager, auf ihre Weise, «verzerren» Dein Eigenbild, manchmal bis zur Unkenntlichkeit. Weder Deine Freunde noch Deine Feinde sollten «das Bild» von Dir so sehr prägen, dass sie zu Deiner ausschliesslichen Messeinheit werden. Die Gefahr, dass Dein Freundes-Fremdbild zu sehr durch die «Rosabrille» und die des Feindes… sagen wir «giftig Grün» gefärbt wird, ist nicht zu untereschätzen. Mit solchen «tendenziösen» Fremd-Bildern kannst Du kaum Dein «Eigenbild» abstimmen, auch dann nicht, wenn man Dir schwört objektiv zu sein. Jedoch wollen Freunde nicht verletzen und Feinde genau das Gegenteil. Besser ist es Dir einen Mentor zu holen, einen Coach, jemand der Dir weder «den Himmel noch die Hölle» wünscht, sondern Dich so nimmt und reflektiert, wie Du bist. Echt, fachmännisch und wohlwollend.



Fazit (Bewerbungsprozess)

1. Ein Baum oder ein Brett?

Wenn immer möglich warte nicht bis Du eine Stelle haben musst, denn wenn es soweit ist, wirst Du immer häufiger versuchen müssen einem «Fremdbild» zu entsprechen. Meistens trägt dieses «Schicksal» die Überschrift «RAV». Denn es ist bekannt: Der krume Baum lebt sein Leben, der gerade Baum wird ein Brett. Das frustriert. Also nimm die Sache selbst in die Hand, bevor Du Dich zu sehr «anpassen» musst. Dann ist auch die Möglichkeit nur auf Stellen zu reagieren, die Deinem «Eigenbild» nahe sind, noch intakt.


2. Kenne Deine Stärken UND Schwächen!

Das ist unausweichlich, wenn Du bei Deiner Wunschstelle landen willst. Ganz wichtig ist es dabei an alle drei Kategorien zu denken: fachliche, methodische und persönliche (soziale) Stärken UND Schwächen. In exakt dieser Reihenfolge!


3. Analysiere das Stelleninserat und die Firma!

Lesen allein hilft nicht, glaub es mir. Wenn Du Dich «Wort für Wort» mit dem «Fremdbild» des Inserats beschäftigst, wirst Du auch so viel mehr herausfinden, was zu Dir passt, oder eben nicht. Beschäftige Dich auch mit der Firma. Finden Deine Stärken (in alle drei Kategorien) dort Anwendung? Und Deine Schwächen (auch wieder alle drei Kategorien) Entwicklung?


4. Überzeuge andere, nicht nur dich selbst!

Oh ja! In Zeiten, in denen Du glaubst «der einzig Richtige zu sein», glauben noch ein paar Dutzende, wenn nicht gar hundert andere exakt dasselbe auch. Überzeugen, Fakten auf den Tisch (=Bewerbung) legen statt «glauben» macht den Unterschied.


5. Bereite Dich vor! (s. Punkt 2)

Während nur ein paar Sekunden am Anfang (Dein Dossier) und im Rahmen von ungefähr 60 Minuten (am Vorstellungsgespräch) werden Dein Selbstbild und das Fremdbild unausweichlich aufeinandertreffen. Entweder passen diese zusammen oder sie passen nicht. Wenn Du jedoch meinst «man wird erkennen, dass ich…» dann täuschst Du Dich gewaltig. Es ist wirklich Deine und NUR Deine Aufgabe eine möglichst klare Übereinstimmung zwischen beiden Bildern herzuleiten.



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