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AutorenbildKremena Doynov

Nehmen Sie es bitte nicht persönlich!


Kennen Sie diesen Spruch? Hören bzw. lesen Sie ihn hin und wieder bei der Absage Ihrer Bewerbung? Ich finde ihn generell total daneben!

Warum? Machen wir zuerst mal ein bekanntes Experiment durch.

Schliessen Sie Ihre Augen und denken Sie NICHT an einen Elefanten! Ich wiederhole, denken Sie NICHT daran!

… und was passiert? Ich wette mit jedem, vor seinem inneren Auge trampelt… was? Ja, natürlich – EIN ELEFANT!

Genau so verhält sich auch die Situation mit etwas, was wir – angeblich – «nicht persönlich nehmen sollen», explizit darauf verwiesen werden und es ist an uns persönlich gerichtet. Sogar dann, wenn wir nicht vor hatten etwas persönlich zu nehmen, wird genau mit diesem Satz unser Selbstschutz ins Wanken gebracht. Es passiert genau das «mit dem Elefanten».

Allerdings sollten wir unterscheiden, in der Situation und beim Sender. Am unverständlichsten kommt dieser Satz von genau dem Menschen ausgesprochen rüber, der uns DAS persönlich mitteilt, was wir «nicht persönlich nehmen sollen». Wir hören es aber auch manchmal von unbeteiligten Menschen, also solche, denen wir diese Aussage anvertrauen, quasi solche mit denen wir eine «un»persönliche Aussage besprechen. Vielleicht sagen sie das Gleiche auch, doch ihr «nimm es nicht persönlich» sollten wir nicht so schwer nehmen. Auch, wenn es manchmal nervt. Diese Gesprächspartner versuchen damit – möglicherweise – die Kraft des Gesagten, die uns getroffen hat, zu schwächen.

«Es ist nicht persönlich» hören wir in verschiedenen Lebenssituationen. Auch in der Bewerbungsphase . Und das verwirrt!

Man hat sich umfassend auf eine Bewerbung vorbereitet, ist vielleicht weit vorangekommen, hat sich persönlich vorgestellt, fühlt sich den Aufgaben und Anforderungen passend und gewachsen, die Stelle ist zum Greifen nah… und dann kommt die Absage!

Schlimm genug, aber noch schlimmer begleitet vom Satz «Nehmen Sie es bitte nicht persönlich»! So oder in irgendeiner, sinngemäss ähnlichen Variation formuliert. Klar, man will freundlich sein, man will uns ein wenig von der Enttäuschung weg nehmen. Doch meistens vergeblich.

Wie soll ich es denn nehmen? Um wem geht es denn? Um mich oder um jemand anderem? Ist da möglicherweise eine böse Verwechslung passiert? Können wir das rasch wieder in Ordnung bringen, und sie sagen bitte derjenigen Person ab um welche es sich tatsächlich handelt? Nein, natürlich nicht – man hat Ihnen abgesagt. Ihnen, ganz PERSÖNLICH!

Wenn die Absage schwammig und schwer nachzuvollziehen ist, fühlen sich solche «Nettigkeiten» und «Aufbauversuche» à la «Sie sind zwar super, aber wir wollen Sie trotzdem nicht!» sowas von fehl am Platz! Google-Ratgeber mit irgendwelchem «Psychokram» zum Thema «wie man sich von einer Absage abgrenzen soll und es unpersönlich nimmt», sind in ihrem Versuch die Wucht der Enttäuschung zu minimieren zwar herzig, aber in der Realität wenig hilfreich.

Aber warum trifft uns dieser Satz manchmal so unerwartet schwer? Ist es schwankendes Selbstbewusstsein, sind es angegriffene Glaubenssätze, ist es unser angekratztes Gefühl von Gerechtigkeit, ist es eine weitere zerstörte Hoffnung auf ein «Happy End»? Oder «trifft sie gar ins Schwarze», quasi spricht genau das an, was unsere Schwäche ist? Etwas, woran wir selber zweifeln? Ein Zweifel, über den wir in unserem tiefsten Inneren bewusst sind, jedoch nicht so gerne daran erinnert werden, geschweige denn es von jemand anderem zu hören? Schwer zu sagen, denn je nach Situation kann es das eine, das andere, oder gar eine Kombination von mehreren Gründen sein.

Ich bin da etwas radikaler!

Ich nehme wichtige Sachen, die mich persönlich betreffen auch persönlich! Ich nehme sie genau so wie sie sind, auch wenn sich das Gefühl nicht immer schön anfühlt. Ich gehe solchen Sachen nach - zuerst bei mir, und dann, wenn es sein muss, auch beim «Sender». Wenn nach einer Aussage, die an mich gerichtet ist, sich bei mir Enttäuschung, Ärger, Wut, Frust, Unverständnis oder was weiss ich was breit macht, habe ich keine Lust mir noch Gedanken darüber zu machen «wen um Gottes Willen könnte das betreffen, wenn nicht mich?».

Persönlich hilft es mir mehr, wenn ich etwas Negatives, was mich (be-)trifft und für mich von Bedeutung ist hinterfrage und verarbeite, als es einfach «von mir weg zu stossen» und mir einzureden «es geht ja nicht um mich»!

Mir hilft eine andere Technik und Vorgehensweise. Je nach Situation, je nach «Sender», je nach Schweregrad und Wichtigkeit der Aussage FÜR MICH, die mich (angeblich) nicht beTREFFEN sollte, es jedoch ganz deutlich tut, dosiere ich die Schritte anders. Über die Jahre habe ich gemerkt, dass es MIR, und es geht ja UM MICH, dabei eindeutig besser geht!

Schritt 1: Ich warte ab!

Ich gebe zu, das fällt mir oft am schwersten. Doch zum Thema habe ich eines gelernt – reagiere ich bei einer wichtigen Aussage, die mich total kränkt sofort, sind die Aussichten auf irgendetwas Positives praktisch Null. Was auch verständlich ist, ich bin total genervt und «verstrahle» damit auch mein Gegenüber. Wer unterhält sich schon gerne mit einem frustrierten Gesprächspartner? Also, ist es MIR WIRKLICH WICHTIG, fühlt sich etwas für mich «persönlich» total falsch an, dann versuche ich als allererstes «auf das Maul zu sitzen»… mind. 24 Stunden, besser länger. In dieser Zeit gelingt es mir oft mich nicht nur zu beruhigen, sondern nicht selten verliert die Aussage auch plötzlich für mich an Bedeutung… oder zumindest an Kraft. Will ich die Sache immer noch angehen, kann ich das nach diesem Zeitraum mit einer gewissen Distanz tun.

Schritt 2: Ich schreibe nieder!

Eine Technik, die sowas von hilfreich ist! Für mich! Also ich setze mich hin, und schreibe «meine Antwort» auf.

ACHTUNG – das mache ich praktisch sofort.

ACHTUNG HOCH ZWEI – das Geschriebene ist nur und NUR für mich! Der eigentliche Auslöser liest es - zumindest in dieser ersten Rohversion - nie!

Während ich (auf)schreibe «nehme ich kein Blatt vor den Mund», lasse meinen Frust nur so sprudeln, achte mich weder besonders stark auf die Form noch auf die Länge. Ich beschreibe MEINEN Stand der Dinge, MEIN Empfinden, MEINE Meinung. Ich versuche trotzdem nicht völlig realitätsfern zu sein. Gleichzeitig reflektiere ich auch - was hätte ich anders machen müssen, wo habe ich Fehler gemacht? So ordne ich meine Gedanken ein.

Dabei geht es mir um genau drei Sachen – meine Sicht der Situation ungestört und ohne unterbrochen zu werden darzulegen, meine Argumente zu schärfen… und – am wichtigsten – Dampf abzulassen. Nachher fühle ich mich (meistens) bedeutend besser. Es ist keine Seltenheit, dass mit diesem Schritt sich auch schon mein Wunsch etwas richtig zu stellen schwächt oder gar verflüchtigt. Nicht selten bestätigt das Geschriebene mein PERSÖNLICHES GEFÜHL, dass ich im Recht bin und nichts anders hätte machen können. Oft ist einem Mensch das wichtiger als alle und alles zu korrigieren. Falls ich doch und immer noch Stellung beziehen möchte, dann nutze ich meine Darlegung, einen Tag oder zwei später, als «Vorlage» für meine Antwort. Ich passe sie an und achte darauf, mich nun auf der sachlichen und nicht ausschliesslich auf der emotionalen Ebene zu formulieren. Nach Schritt 1 ist das im Bereich des Möglichen.

Schritt 3: Ich frage nach!

Wenn sich nach Schritt 2 immer noch nicht alles gelegt hat, dann lasse ich den Versuch etwas persönliches als «unpersönlich» zu negieren nicht gelten. Also ich frage nach, spreche (oder schreibe) und verlange mehr Infos! «Das Nachfragen» muss nicht gleich wie eine «Aufforderung zum Duell» rüberkommen und nach Schritt 1 habe ich gute Chancen, dass mir das auch gelingt. Dabei will ich nur eines verstehen: WARUM? Und das ist oft das Resultat. Ich bekomme nicht selten weitere, einleuchtende Argumente. Alles gut, Ende gut!

... oder aber eben nicht. Beim Nachfragen habe ich auch schon Seltsames erlebt. Situationen in denen «der Sender» seine Aussage gar nicht argumentieren konnte (oder sich offensichtlich davor hütete), und sich dabei selber in Widersprüche verwickelt hat . Merke ich das, weiss ich auch «da ist nichts zu machen». Doch die Position ist geklärt: «Sie mögen mich nicht», und das IST persönlich. Die persönliche Ablehnung kann verschiedene Ausprägungen und Hintergründe haben, die schlussendlich nicht mit mir persönlich in direktem Zusammenhang stehen müssen. Im Leben kann sowas passieren. Dagegen anzukämpfen, ist (meistens) ein «verlorener Kampf»; es zu verändern praktisch unmöglich. In so einem Fall empfiehlt es sich sich «vom Sender» zu distanzieren.

Schritt 4: Ich «richte meine Uhr»!

Noch während den Schritten 1 bis 3 bespreche ich die Situation mit jemandem, auf dessen Meinung ich Wert lege. Jemand, von dem ich weiss, dass er mir gegenüber wohlwollend gestimmt ist. Jemand, der fähig ist auch für Kritik an mir die richtigen Worte zu finden. Jemand, der fähig ist meine Optik anzunehmen, objektiv zu hinterfragen und gleichzeitig zu schärfen. All das hilft mir zu reflektieren. Und «JA», nicht zuletzt, auch jemand, der mich als Mensch und Persönlichkeit schätzt. Der mich so akzeptiert wie ich bin, wie ich etwas mache oder sage. Denn etwas sollten wir uns nicht vormachen, trifft uns etwas tief, braucht die verletzte Seele «Streicheleinheiten». Die hole ich mir ganz bewusst. Spätestens dann, wenn ich eine wertvolle, ehrliche aber gutwillige fremde Meinung abgeholt habe, kann ich beruhigt zu mir jedoch an den «Sender» gerichtet sagen: «Sch**** auf Ihre Meinung!» - und das meine ich auch sehr persönlich!

Schritt 5: Ich gebe Gas!

Es gibt Situationen, die mich persönlich mit so viel Energie aufladen, dass ich - nachdem die Sache FÜR MICH geklärt ist - kaum noch zu bremsen bin. Übrigens, glaube ich mal gelesen zu haben, dass das «Facebook Imperium» von heute nicht zuletzt auch Aussagen der Sorte «sowas ist nicht möglich» und «Mark, don’t take it personally» zu verdanken ist. Ich vermute stark, er hat alles sehr persönlich genommen. Angetrieben und ambitioniert von der «unpersönlichen» Ablehnung andere zu sein und diese Energie darin zu bündeln um positive Ergebnisse und persönliche Ziele zu erreichen ist ein mächtiger Motor. Viel, viel besser, als uns von solchen Aussagen eher in unseren persönlichen Zweifel bestätigt zu fühlen und herunter ziehen zu lassen.

Logisch, auch ich kenne die meisten weit verbreiteten Mantras,

wenn es darum geht etwas «nicht zu persönlich zu nehmen». Wie zum Beispiel:

  • «Du kannst die Worte und Taten anderer nicht kontrollieren, also lass es sein.»

  • «Sie meinen nicht Dich, sie meinen SICH.»

  • «Du hast es nicht nötig von allen verstanden, akzeptiert und geliebt zu werden.»

  • «Du bist für die Geistlosigkeit anderer nicht verantwortlich.» etc. etc.…

Ich kenne sie sogar sehr gut und sie kommen mir auch in den Sinn. Oft reichen sie mir auch vollkommen aus. Für die Situationen jedoch, bei denen das nicht der Fall ist, gehe ich Schritt für Schritt meinen Weg. Wenn Sie auch jemand sind, der oft nach einer (un)persönlichen Aussage «wie ein verletztes Tier innerlich jault», dann versuchen Sie es mal mit «meiner Technik». Vielleicht hilft diese auch Ihnen.

Schlussendlich geht es nur darum mit etwas Enttäuschendem so umzugehen, dass nicht alles angeblich «unpersönlich gemeinte» ausschliesslich an unserer persönlichen Haut hängen bleibt, denn so dick ist sie praktisch bei niemandem. Am Ende geht es nur darum unsere Emotionen und unseren Verstand wieder zusammen und in Einklang zu bringen.


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