Haben Sie in letzter Zeit eine so oder ähnlich, «per Du» formulierte Stellenanzeige gelesen? Wenn ja, gehören Sie nicht zu den einzigen. Es kann durchaus auch vorkommen, dass Sie angerufen werden und auf der anderen Seite tönt es in etwa so:
«Hallo! Du hast Dich vor kurzem bei uns beworben. Wir wollen Dich persönlich kennen lernen!»
… jetzt einfach nicht «die Grammatik verlieren», und schon gar nicht sich mit hochkomplizierten Sie-Höflichkeiten gleich disqualifizieren.
Menschen im englischsprachigen Raum haben es so viel einfacher. Sie sagen «you» und das wars. Ob damit Du oder Sie gemeint ist, wird höchstens anhand des restlichen Kontexts deutlich, aber auch nicht immer.
In allen anderen Sprachen, die zu mindest mir bekannt sind, wird zwischen formeller und informeller Sprache unterschieden. Hierzulande war bis vor kurzem diese Unterscheidung auch klar und deutlich geregelt – Unbekannte sowieso, hierarchisch höher gestellte Personen in den meisten Fällen, aber vor allem ältere Menschen spricht man immer «per Sie» an. Ein Wechsel «per Du» wurde ausschliesslich von «oben herab» angeboten und selten sofort.
Doch wie bei vielem anderen macht die «Modernisierung» auch vor dem kein Halt. Heute schmelzen die Grenzen zwischen Duzen und Siezen immer mehr und unaufhaltsam. Die Kommunikation auf bekannten Sozialen Netzwerken «gibt dem den Rest». Es ist nicht nur an der Tagesordnung wildfremde Menschen per «Du» anzusprechen sondern nicht selten wird das auch persönlich, gar hemmungslos getan. Für viele ist das «no problem». Für genau so viele aber, vor allem bei den sog. «ü50», ist damit ein sich breitmachendes Gefühl des Unbehagens, vorprogrammiert. Egal ob man zu den einen oder zu den anderen gehört - Fehlverhalten, das auf die Person abfärbt und zu Fehleinschätzungen führt, kommt immer wieder vor.
Auch im Berufsleben ist es keine Seltenheit mehr auf die sog. «Du-Kultur» umzustellen. In einem jungen, dynamischen Start-up Umfeld ist das fast die Regel. Aber auch grosse und traditionelle Unternehmen «nähern» sich zuerst ihren Mitarbeitern und je länger je mehr auch ihren potentiellen Kandidat-Angestellten, indem sie sie direkt «per Du» ansprechen. Damit wird ein Dialog «auf Augenhöhe» angestrebt und eine soziale Nähe demonstriert. Ob das immer und überall einfach so gelingt ist ein anderes Thema, die an der Du-Tendenz nichts ändert. «Durchs Band per Du» angesprochen zu werden, passt gewiss nicht allen, weder intern, noch extern. Doch es völlig zu missachten und sich ausschliesslich «nach den eigenen Regeln und Werten zu verhalten» kann unvorteilhaft sein.
Im Bewerbungsprozess stellt dieses Du-Novum für viele Kandidaten/Innen eine zusätzliche Hürde dar. Deshalb die Fragen:
Wie «reagieren» Sie auf die «Du Form» in einem Inserat? Oder auf die Du-Sprache bei einem Anruf? Oder wenn Sie gar Teil eines Vorstellungsgesprächs wie «unter alten Bekannten» werden? Wie verhalten Sie sich «korrekt»?
Ganz einfach – wie ein Echo! Was so viel heisst wie – so wie Sie angesprochen werden, schriftlich oder verbal, so antworten Sie auch. Das ist das einfachste Rezept, auch wenn es nicht für alle einfach ist.
Was machen Sie aber, wenn Sie sich initiativ bewerben? Quasi Ihr zukünftiger Arbeitgeber selber und aktiv (aus)suchen? Wie stellen Sie sicher, dass Sie AUCH in die (Sprach)Kultur Ihres auserwählten Unternehmens passen?
Zugegeben in diesem Fall ist es komplexer.
Es ist Aufgabe Ihrer Unternehmensrecherche genau aufzuspüren, wie man in dieser Firma untereinander «spricht» und andere «anspricht». Zuerst dienen dafür Berichte im Internet, Firmenvideos, die Firmenhomepage aber auch andere, nicht auf Sie zugeschnittene Stelleninserate.
Wenn Sie all das durchgestöbert haben, sollten Sie so oder so, bevor Sie Ihre Initiativ-Bewerbung senden, immer zuerst anrufen. Meldet sich die Person nur mit dem Vornamen? Wie reagiert sie auf Ihre Vorstellung? Übernimmt sie nur Ihren Vorname oder akzeptiert sie die Sie-Form? Wenn für Sie immer noch nicht ganz deutlich ist, wenn Sie unterschiedliche Beobachtungen gemacht haben, wenn Sie das Thema stark beschäftigt, dann sprechen Sie das offen an und hören Sie genau zu. Indizieren alle gesammelten Informationen, dass die «Du» Form «kompromisslos» angewendet wird, dann ist es der beste Rat, auch Ihr Schreiben (und hoffentlich später auch Ihre Sprache beim Gespräch) auf «Du» umzustellen.
Allerdings, bei dem ersten schriftlichen Kontakt macht es - zumindest in meinen Augen - Sinn auf ein wenig (noch) «distanziertes Du» zu setzen. Also ich würde noch auf «liebe/r» bei der ersten schriftlichen Ansprache und auch auf «liebe Grüsse» am Schluss des ersten Schreibens verzichten. Anschliessend sollten Sie auf die weitere Kommunikation achten und sich nach und nach anpassen. «Hoi zäme» passt aus meiner Sicht auch nicht immer, ausser neben der Du-Kultur eines Unternehmens, stehen Sie auch noch ganz am Anfang Ihrer Karriere (Lehre / Praktikum). Eine grosse Hilfe kann auch jemand sein, den Sie in der angestrebten Firma kennen. Auch wenn diese Person für Sie die Rolle des «Türöffners» nicht übernehmen kann oder will, kann sie Ihnen zumindest sagen, wie das so «hinter den Kulissen» gelebt wird.
Klar ist jedoch – die Firmensprache deutet auf vieles hin. Sie ist nicht nur bei einer Bewerbung sehr wichtig, sondern auch später, wenn Sie hoffentlich Teil einer Firma sind. Sie zeichnet die dort herrschende Umgangskommunikation aus. Die gewählte Form sollte übrigens auch seitens der Firma gut überlegt sein und nach dem Prinzip «entweder oder» angewendet werden. Es wirkt seltsam und sorgt für Verwirrung, wenn man in einem Inserat «per Du» angesprochen wird, um dann später eine total «gehemmte» Gesprächsatmosphäre zu erleben. Die umgekehrte Variante - ein Sie-Inserat gefolgt von einer «unerwarteten» Duzis-Kommunikation - genau so. Wichtig ist trotzdem zu bedenken, dass die Sie-Form nicht zwingend ein Indikator für «Wichtigtuerei» ist, genauso wie auch eine Du-Form kein unwiderlegbares Zeichen von «Friede, Freude und Eierkuchen» ist. Deshalb, ob Sie sich auf ein Inserat bewerben oder sich selber bei einem Unternehmen aktiv vorstellen, das eigene Empfinden und die persönliche Einstellung zum Thema sind relevant, auch wenn Bewerber oft die Du/Sie-Form als ein zweitrangiges «Detail» betrachten.
Das «Du» ist kein nebensächliches Detail, das Sie - in Ihrem Wunsch die Stelle zu erhalten - völlig ausser Acht lassen und sich dem «total verbiegen» sollten. Übrigens genauso falsch fühlt es sich an, wenn Du Dein stetes «Du» bei einer «Sie»-Kommunikation nicht mühelos abstellen kannst.
Infolge vertrete ich bei diesem Thema die Meinung:
Ihre Authentizität und «zu sich selber zu stehen» sind die besten Berater!
Während der Bewerbungsphase wird sich eine Formanpassung bei der Sprache nur in zwei Fällen für Sie bzw. für Dich richtig anfühlen und unterstützend auswirken: - wenn Sie 100% sicher sind, Sie bauen damit keine Mauer zwischen sich und «den anderen» bzw. wenn Du Dir sicher bist damit keine Grenzen zu überschreiten
UND - wenn dieser Formwechsel für Sie (oder für Dich) keine zu grosse Anstrengung ist.
Wenn es Ihnen äusserst schwer fällt mit jemandem, den Sie nicht kennen per Du zu sprechen, wenn es sich für Sie absurd anfühlt mit Arbeitskollegen, die «Ihre Kinder sein könnten» ausschliesslich per Du zu kommunizieren, wenn Sie auf Grund Ihrer Erziehung, Ihres Alters, Ihrer Werte, Ihrer Herkunft, Ihrer angestrebten Position oder sonst was auf eine Formsprache strikt bestehen, dann ist das «Duzis»-Unternehmen mit grosser Wahrscheinlichkeit auch nicht «das Richtige» für Sie.
Genauso, wenn Du jemand bist für den das «Sie» ein «uralter Zopf» ist, völlig überflüssig, und Du sprichst jeden direkt «per Du» an oder wechselst spätestens nach 3 Sätzen selbstischer und von Dir aus von «Sie» auf «Du»… auch für Dich ist das «Siezen»-Unternehmen vielleicht (noch) nicht «Deins».
Man kann all das auch missachten und während der Bewerbungsphase «so tun als ob…». Es empfiehlt sich jedoch sich genau zu überlegen, ob ein solcher Kompromiss für Sie/Dich vertretbar ist und zu welchem Preis. Wenn in einem Unternehmen einem schon die Sprache «auf den Geist geht», wird man dort sehr wahrscheinlich nicht wirklich glücklich werden. Man wird vermutlich nicht in der Lage sein «Nähe» und «Distanz» weder bei sich richtig zu dosieren, noch bei den anderen richtig einzuschätzen. Man wird – je nach dem – als «unecht, unzugänglich, aufdringlich, hochnäsig, unhöflich, zugeknöpft, frech, abweisend» usw. «abgestempelt» und entsprechend wird auch «das Echo» sein.
Wollen Sie das? Und Du?